AWARE: Antibiotikaresistenzen im Abwasser: Übertragungsrisiken für Beschäftigte und Anwohner von Kläranlagen
AWARE ist ein europäisches Forschungsprojekt mit dem Ziel, die Ausbreitung von antibiotikaresistenten Bakterien und Resistenzgenen in und um kommunale Kläranlagen in Deutschland, den Niederlanden und Rumänien zu untersuchen.
Hintergrund
Antibiotikaresistenzen haben sich als eine ernste globale Bedrohung der öffentlichen Gesundheit herausgestellt. Die Rolle der Umwelt bei der Verbreitung und Entstehung der Antibiotikaresistenzen wurde verschiedentlich belegt und zahlreiche Studien identifizierten spezifische Gene oder resistente Bakterien in Umweltmedien (z. B.). Dennoch ist wenig über die Übertragungsdynamik der Antibiotikaresistenz aus Wasser, Luft und Boden und deren Risiken für den Menschen in direktem Kontakt mit diesen Matrizen bekannt. Der Schlüssel zur Bestimmung der Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit liegt in der Anwendung epidemiologischer Untersuchungen, bei denen Personen als Träger resistenter Bakterien identifiziert werden, die einem spezifischen Übertragungsweg ausgesetzt sind. Diese werden mit nichtexponierten Kontrollpersonen verglichen. Solche Studien wurden bei Reisenden und Landwirten durchgeführt, aber Umweltbelastungen wurden bislang selten untersucht.
In kommunalen Kläranlagen werden Abwässer aus der Landwirtschaft, Krankenhäusern und der Allgemeinbevölkerung gesammelt, wodurch sie zu ungewollten Sammelstellen für Antibiotika, antibiotikaresistenten Bakterien (ARB) und Antibiotikaresistenzgenen (ARGs) werden. Abwasseraufbereitungsprozesse sind nicht grundsätzlich so entwickelt, Antibiotika, ARB und ARGs zu entfernen. Studien zeigen, dass trotz der Reduktion durch bestimmte Behandlungsverfahren große Mengen an Antibiotika und ARGs in die weitere Umwelt eingetragen werden, wie z.B. in Badeseen oder die landwirtschaftliche Bewässerung (z. B.). Darüber hinaus wurden in den Zu- und Abläufen von Kläranlagen und den empfangenden Oberflächengewässern Extended-Spectrum-Beta-Lactamasen (ESBL) und Carbapenemase-produzierende Enterobacteriaceae (CPE) nachgewiesen. Dabei konnte eine Übereinstimmung der Genotypen der Resistenzdeterminanten mit denen in naheliegenden Krankenhäusern festgestellt werden. Während die Behandlungseffizienz herkömmlicher Behandlungstechnologien von Kläranlage zu Kläranlage verschieden ist, bleibt die Rolle der spezifischen Behandlungstechniken für die Entfernung von Bakterien unzureichend charakterisiert.
Beschäftigte kommunaler Kläranlagen sind möglicherweise durch direktem Kontakt mit verschmutztem Abwasser sowie aerosolierten ARB / ARGs exponiert. Als Aufnahmewege kommen Inhalation und Ingestion in Frage, eine dermale Aufnahme speziell über Verletzungen wäre auch möglich. Luftgetragene Bakterien wurden in Kläranlagen bereits identifiziert, einschließlich koliformer Keime. Zudem wurde eine erhöhte Prävalenz von Magen-Darm-Erkrankungen und Atemwegserkrankungen bei Mitarbeitern von Kläranlagen nachgewiesen, die mit der mikrobiellen Exposition zusammenhängen könnte. Einige wenige Studien untersuchten bislang spezifische Pathogene bei Mitarbeitern von Kläranlagen. Sie fanden eine erhöhte Trägerschaft von Tropheryma whipplei, hohe Antikörperlevel gegen Helicobacter pylori, Hepatitis A (HAV) und Hepatitis E (HEV) und positive Stuhl-PCR-Tests für Leptospira spp. Insgesamt ist aber die Übertragung von resistenten Bakterien auf Kläranlagenmitarbeiter noch nicht ausreichend untersucht.
Darüber hinaus befinden sich Kläranlagen in Städten oft in unmittelbarer Nähe der Anwohner. Da Bakterien bis zu 150 Meter entfernt von Tierbetrieben zurückverfolgt werden können, ist davon auszugehen, dass auch die angrenzenden Bewohner kommunaler Kläranlagen einem Expositionsrisiko ausgesetzt sind. Insgesamt stellt die Stadtluft eine bisher vernachlässigte potentielle Übertragungsstrecke für Antibiotikaresistenzen dar, in ihr ist mit einer höheren Diversität von Resistenzgenen zu rechnen als in jeder anderen Umgebung, einschließlich des menschlichen Darms. Die Kläranlagen, ihre Mitarbeiter und Anwohner sind daher ein ideales, aber noch nicht untersuchtes Modell, um zu erforschen, ob die Übertragung über (Ab-)Wasser die ARB- und ARGs-Trägerschaft beim Menschen tatsächlich erhöht.
Abwasser enthält typischerweise eine Mischung von Restantibiotika und anderer Substanzen, von denen bekannt ist, dass sie für die Antibiotikaresistenz ko-selektiv sind. Dies bietet das Potential für eine Selektion und damit die relative Anreicherung resistenter Bakterien. Selektionsdruck zusammen mit einer hohen Dichte und Vielfalt von Pathogenen und Umweltbakterien, die verschiedene Resistenzfaktoren tragen, bilden ein Milieu, in dem Rekombinationen und genetische Austausche zur Entstehung neuer Phänotypen prädisponieren. Aus der Untersuchung der Metagenomik-Daten kann die Entstehung neuer Resistenz-Gene untersucht werden. Auch können Veränderungen der relativen Resistenzgenhäufigkeit entlang der Kläranlage, die mit Daten über die Zusammensetzung der Bakteriengemeinschaften gekoppelt werden, Indikatoren für die Selektion verschiedener Resistenzen liefern.
Innerhalb dieses Projekts können Daten über die ESBL-, CPE- und andere Resistenzgen-Prävalenz in Luft- und Wasserproben sowie bei Arbeitern und Bewohnern von 80-100 verschiedenen Kläranlagen in drei Ländern gesammelt werden, um die gesundheitlichen Auswirkungen der Exposition in und um Kläranlagen zu beurteilen. Durch die Quantifizierung des Beitrags verschiedener Abwasserbehandlungsprozesse zur ARB / ARGs-Abscheideleistung werden wir evidenzbasierte Unterstützung für mögliche Präventionsstrategien zur Verfügung stellen.
Partner
- Nationales Institut für Public Health und Umwelt - Zentrum zur Kontrolle von Infektionskrankheiten (RIVM)
- Universität Bukarest (UB) - Forschungsinstitut der Universität Bukarest – Lebens-, Umwelt- und Geowissenschaften (ICUB)
- Universität Göteborg - Department für Übertragbare Krankheiten - Institut für Biomedizin (UGOT)
Publikationen
Rodríguez-Molina, Berglund, Blaak et al. (2022) International Travel as a Risk Factor for Carriage of Extended-Spectrum β-Lactamase-Producing Escherichia coli in a Large Sample of European Individuals - The AWARE Study. International Journal of Environmental Research and Public Health 19(8):4758
Rodríguez-Molina, Berglund, Blaak et al. (2021) Carriage of ESBL-producing Enterobacterales in wastewater treatment plant workers and surrounding residents - the AWARE Study. European Journal of Clinical Microbiology & Infectious Diseases 13:1–16
Wengenroth, Berglund, Blaak et al. (2021) Antibiotic Resistance in Wastewater Treatment Plants and Transmission Risks for Employees and Residents: The Concept of the AWARE Study. Antibiotics (Basel) 10(5):478
Rodríguez-Molina, Mang, Schmitt et al. (2019) Do wastewater treatment plants increase antibiotic resistant bacteria or genes in the environment? Protocol for a systematic review. Systematic Reviews 8(1):304
Kontakt
Dr. Laura Wengenroth
Studienleitung
80336 München