NEUE EINBLICKE IN GRUNDLEGENDE MECHANISMEN DER IMMUNANTWORT IN DER BAKTERIELLEN SEPSIS
Bakterielle Infektionen gehören auch im 21. Jahrhundert zu den häufigsten Todesursachen der Industrienationen. Die körpereigene Sofortreaktion auf eindringende Bakterien wird maßgeblich durch einen Zelltyp vermittelt, der als Neutrophiler Granulozyt bekannt ist und Teil der im Blut zirkulierenden weißen Blutkörperchen ist. In der klassischen Immunologie werden Neutrophile Granulozyten jedoch bislang als stereotyp agierende „Fußsoldaten“ betrachtet, die im Vergleich zu anderen Immunzellen nur eine geringe Anpassungsfähigkeit im Rahmen bakterieller Infektionen aufweisen.
Forschende um Dr. Rainer Kaiser und Dr. Kami Pekayvaz aus der Medizinischen Klinik I des LMU Klinikums haben nun erstmals Mechanismen aufgedeckt, die das Dogma des stereotypen Neutrophilen in Frage stellen und vielmehr ein hohes Maß an Neutrophilen-Plastizität in der Reaktion auf bakterielle Infektionen unterstreichen. Hierfür nutzten die Forschenden Blutproben von Patientinnen und Patienten mit akuter bakterieller Infektion und untersuchten diese mithilfe neuester experimenteller Methoden wie RNA-Einzelzell-Sequenzierungen. So konnte das interdisziplinäre Team infektionsspezifische Veränderungen auf RNA- und Proteinebene in Neutrophilen identifizieren, die für die Abwehr von bakteriellen Infektionskrankheiten essenziell zu sein scheinen. Teil dieser Veränderungen ist die Hochregulation von antimikrobiellen Genen wie dem Aktivierungsmarker CD177/NB-1, mit deren Hilfe Neutrophile beispielsweise effektiver zum Ort der Infektion gelangen und eindringende Erreger neutralisieren können. Diese im Menschen erstmals nachgewiesenen Mechanismen konnten auch auf ein Mausmodell der bakteriellen Infektion übertragen werden: Eine pharmakologische Blockade der im Menschen identifizierten Signalwege führte hier zu einer deutlichen Abschwächung der Immunantwort, die eine Ausbreitung bakterieller Erreger in Blut und Organen begünstigte.
„Unsere Ergebnisse unterstreichen die Komplexität der angeborenen Immunantwort und zeigen, das Neutrophile Granulozyten sehr plastische Zellen sind, die über ein hohes Maß an Anpassungsfähigkeit verfügen“, sagt Dr. Kaiser. „Die funktionelle Relevanz der im Rahmen unserer Studie beschriebenen Mechanismen tragen zu einem tieferen Verständnis in der Infektabwehr gegen bakterielle Erreger bei. Eine Modulation der von uns identifizierten Signalwege könnte eine neue Therapieoption bei schweren bakteriellen Infektionen, insbesondere der Sepsis, darstellen.“, so Dr. Pekayvaz.
Dr. Kaiser und Dr. Pekayvaz sind Clinician Scientists, die durch das von LMU und Deutscher Forschungsgemeinschaft geförderte PRIME-Programm unterstützt wurden. Die unter Leitung der beiden Nachwuchswissenschaftler entstandene translationale Studie, die in Kooperation mit mehreren klinischen Instituten des LMU Klinikums, dem Institut für Informatik der LMU sowie dem Max-Delbrück-Center Berlin und der Charité Berlin durchgeführt wurde, erschien am 22. März im international renommierten Journal Science Advances.
Publikation:
R. Kaiser*, C. Gold*, M. Joppich*, Q. Loew, A. Akhalkatsi, T. Mueller, F. Offensperger, A. Droste zu Senden, O. Popp, L. di Fina, V. Knottenberg, A. Martinez-Navarro, L. Eivers, A. Anjum, R. Escaig, N. Bruns, E. Briem, R. Dewender, A. Muraly, S. Akgöl, B. Ferraro, J. Hoeflinger, V. Polewka, N. Ben Khaled, J. Allgeier, S. Tiedt, M. Dichgans, B. Engelmann, W. Enard, P. Mertins, N. Hubner, L. Weckbach, R. Zimmer, S. Massberg, K. Stark*, L. Nicolai* and K. Pekayvaz*: “Peripheral priming induces plastic transcriptomic and proteomic responses in circulating neutrophils required for pathogen containment”
Ansprechpartner:
Dr. med. Rainer Kaiser
Clinician Scientist, Medizinische Klinik I, LMU Klinikum
Dr. med. Kami Pekayvaz
Clinician Scientist, Medizinische Klinik I, LMU Klinikum