Das Team um Studienleiter Dr. Marios Georgakis, Juniorgruppenleiter am Institut für Schlaganfall- und Demenzforschung (ISD) und Mitglied im Exzellenzcluster SyNergy, verwendete umfangreiche humangenetische Analysen, um die Wirkung von Medikamenten nachzuahmen, die IL-6 blockieren. Frühere genetische Studien hatten sich auf Varianten des IL6R-Gens konzentriert, das nicht für IL-6 selbst, sondern den dazugehörigen Rezeptor kodiert. „Diese Arbeiten legten nahe, dass mit einer Hemmung des IL-6-Rezeptors kardiovaskuläre Vorteile verbunden sein könnten, hatten aber Bedenken hinsichtlich eines erhöhten Infektionsrisikos aufgeworfen“, erklärt Georgakis. Ob sich diese Ergebnisse auf in der Entwicklung befindliche Medikamente übertragen lassen, die IL-6 direkt hemmen, blieb unklar. Deshalb richteten die Forschenden am LMU Klinikum ihren Blick nun auf Gene, die für IL-6 kodieren.
In der neuen Studie, die im Fachmagazin Nature Cardiovascular Research veröffentlicht wurde, analysierten sie genetische Daten von über einer halben Million Menschen europäischer und ostasiatischer Abstammung. Sie fanden heraus, dass Personen mit Varianten im IL-6-Gen, die mit einer geringeren IL-6-Signalübertragung in Verbindung stehen, im Laufe ihres Lebens ein geringeres Risiko für koronare Herzkrankheiten, Schlaganfälle und periphere Arterienerkrankungen haben. Bemerkenswert ist, dass diese Varianten auch mit einem geringeren Risiko für Lungenentzündung und Sepsis verbunden waren – was Befürchtungen entkräftet, dass die Blockierung von IL-6 die Fähigkeit des Körpers zur Bekämpfung von Infektionen beeinträchtigen könnte.
„Unsere Studie zeigt, dass genetische Varianten, die zu einer IL-6-Hemmung führen, mit einem geringeren kardiovaskulären Risiko und möglicherweise sogar einem geringeren Risiko für bestimmte Infektionen verbunden sind“, sagt Lanyue Zhang, Erstautorin der Studie. „Unsere Ergebnisse belegen, wie die Humangenetik genutzt werden kann, um die Vorteile und Risiken neuer Therapien vorherzusagen. Die Studie unterstreicht das Potenzial wirksamer und sicherer IL-6-Inhibitoren, die derzeit in klinischen Studien für Herz-Kreislauf-Erkrankungen entwickelt werden“, sagt Georgakis. Die genetischen Hinweise lassen auch auf mögliche Verbesserungen des Risikos für Typ-2-Diabetes und des Lipidprofils schließen, was weiter reichende Stoffwechsel-Vorteile vermuten lässt.